An einem Wochenende im Januar 2020 feierten rund 70 Mitarbeiter*innen und Freiwillige der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung aus drei Jahrzehnten das 30-jährige Jubiläum der Stiftung in Krzyżowa. Jede und jeder war eingeladen, Erinnerungsbilder an seine Zeit in Kreisau zu schicken, um daraus für den Festabend eine Fotoschleife zu erstellen. Auf den Bildern der Mitarbeiter*innen aus den 1990er Jahren war selbstverständlich häufig Ewa Unger im Kreis der Kolleg*innen zu sehen. Sie war die Vorsitzende des ehrenamtlichen Vorstands der Stiftung und zugleich jeden Tag im Breslauer Büro der Stiftung tätig sowie regelmäßig zu Sitzungen, öffentlichen Auftritten und Begegnungen vor Ort in Kreisau anwesend. Während der Jubiläumsfeier der Mitarbeiter*innen konnte jede(r) einen Gruß an Ewa Unger schreiben und die gesammelten Beiträge haben wir ihr als mehrseitigen Brief per Post geschickt. Sie hat diese Botschaften aus Kreisau in vollem Bewußtsein gelesen, mehrmals gelesen und sich jedes Mal gefreut. Sie kannte längst nicht alle Autor*innen. Heute weiß ich, dass dieser Brief ein Gruß des Abschieds und des Dankes aus Kreisau war zum 30. Geburtstag einer Institution, die ohne Ewa Unger nicht zu denken wäre. Sie ist unumstritten eine der großen, wichtigen und bedeutenden Frauen in der Geschichte Kreisaus.
[FOTO: Marek Aureliusz Pędziwol]
Weiterlesen: Abschied von Dr. Ewa Unger (20.10.1926 – 15.03.2020) | Annemarie Franke
Neulich stieß ich auf das Protokoll von der Februarsitzung des Stiftungsvorstands. Wir beschäftigten uns mit einer detaillierten Planung eines voraussichtlich sehr erfolgreichen Jahres, mit einer Anzahl von Projekten und Besucher*innen auf Rekordhöhe. Wir beklagten uns sogar ein wenig darüber, dass sich ein sehr arbeitsintensives Jahr abzeichnete, während wir doch nach dem Jubiläumsjahr auf eine Entschleunigung gehofft hatten.
Jetzt, nur noch wenige Wochen später, liest sich dieses Protokoll wie ein Dokument aus einer fernen, fremden Welt. Anstatt zu planen, wie wir die Ressourcen am effizientesten einsetzen, damit unser Team durch die Betreuung und Koordination der sehr zahlreichen Projekte nicht übermüdet wird, überlegen wir, wie wir die Stiftung vor dem baldigen Untergang bewahren können.
Die aktuelle Krise wird die meisten Bereiche unseres Lebens betreffen. Auch die deutsch-polnischen Beziehungen werden beeinflusst. Es mag eine große Herausforderung für sie sein, aber wie jede Veränderung kann auch diese Krise in einigen Bereichen ein kreatives Element mit sich bringen. Es ist nicht die Zeit für Kaffeesatzleserei, was genau, wann und wie in den deutsch-polnischen Beziehungen aufgrund der Coronakrise geschehen wird. Es gibt zurzeit mehr Fragen als Antworten. Um aber in der Zukunft nach Lösungen für auftretende Probleme suchen zu können, können sie bereits heute benannt werden, auch wenn sie nur, absichtlich, wenig detailliert beschrieben werden.
Stärke in der Gemeinschaft oder Flucht in die Nationalismen?
Weiterlesen: Corona-Pandemie und die deutsch-polnischen Beziehungen | Agnieszka Łada
Die Epidemie durch den Coronavirus hat das Treiben der Welt wie wir es seit Generationen kennen gestoppt. Sie stellt nicht nur die finanzielle Liquidität, familiäre Beziehungen, die individuelle Psyche auf eine harte Probe, sondern auch das klassische Schulmodell, von dem wir uns Anfang März verabschieden mussten.
Lehrer_innen waren mit den Herausforderungen des Fernstudiums, der Benutzung von Plattformen und Online-Werkzeugen konfrontiert, die vorher noch nicht getestet wurden, sie mussten neue Formen und Räume für Bildung kennenlernen und mitgestalten, wobei Methoden und Organisationsformen, Kontrollen und Feedback gefragt waren, die bisher noch nicht ausprobiert wurden.