Diese Woche möchten wir Ihnen einen Text von Prof. Krzysztof Ruchniewicz empfehlen, in welchem er, ausgehend von aktuellen Stellungnahmen von Kritikern des deutsch-polnischen Annäherungsprozesses, nicht nur das Konzept der Versöhnung als Prozess in internationalen Beziehungen erläutert sondern vor allem Schlüsselmomente dieses Prozesses den Leser*innen näher bringt und dabei darauf hinweist, dass seine weitere Entwicklung eine offene Frage ist.
#Kreisau_liest #Kreisau_empfiehlt
(…) Das Problem der Versöhnung in den internationalen Beziehungen ist nach wie vor eines der Schlüsselthemen und bleibt aktuell. Się ist eine Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben zwischen vor kurzem noch gegnerischen und konfliktreichen Parteien. Dies ist kein neues Problem, obwohl es in den letzten Jahren in Europa an Schärfe und Bedeutung verloren zu haben schien. Dafür kann es mehrere Gründe geben.
Der Krieg und seine Auswirkungen werden von vielen Europäern heute als vage Erinnerung, als Thema von Geschichtsbüchern und nicht als gemeinsame Lebenserfahrung wahrgenommen, deren Erinnerung ständig gepflegt werden sollte. Sicherlich ist in einer solchen Wahrnehmung von Kriegsangelegenheiten das Ausscheiden der daran beteiligten Generationen oder ihrer unmittelbaren Nachkommen nicht ohne Einfluss. Darüber hinaus lassen die Zusammenarbeit und die engen Kontakte zwischen den europäischen Nationen einen Kriegszustand zwischen ihnen nicht mehr zu. In einer solchen Situation werden moralische Fragen wie Versöhnung weniger Gewicht und Interesse erhalten. Macht es heute noch Sinn, über Versöhnung zu sprechen? Ja, das macht es. Wir können dies besser sehen, wenn wir von der allgemeinen Ebene zu den bilateralen Beziehungen übergehen.
K.Ruchniewicz - DIE DEUTSCH-POLNISCHE VERSÖHNUNG: EINE BILANZ NACH 30 JAHREN.pdf
Krzysztof Ruchniewicz, Prof. Dr. habil., Historiker. Wiss. Mitarbeiter am Historischen Institut der Universität Breslau, Direktor des Willy Brandt Zentrums für Deutschland- und Europastudien der Universität Breslau.
* Der Text wurde veröffentlicht in: (Un)versöhnt? Gedanken über die deutsch-polnischen Beziehungen nach 1945, Tomasz Skonieczny (Hg.), Wrocław 2019.