Es ist bereits einen Monat her, dass Russland die Ukraine angegriffen hat. Seit drei Wochen nehmen wir Geflüchtete in Kreisau auf. Derzeit sind rund 100 Menschen in Kreisau untergebracht, die Hälfte von ihnen sind Kinder und Jugendliche.
Seit Montag besuchen unsere schulpflichtigen Gäste den Unterricht in der Grundschule in Grodziszcze und im Ersten Allgemeinbildenden Gymnasium in Schweidnitz und setzen so ihre Ausbildung fort, worüber wir uns sehr freuen. Alle neuen Schülerinnen und Schüler sind sehr zufrieden mit dem Verlauf ihrer ersten Tage in der polnischen Schule. Wir möchten uns bei den Schulleiter*innen, Lehrer*innen und Schüler*innen beider Einrichtungen für den herzlichen Empfang bedanken, der für unsere ukrainischen Gäste sehr wichtig war.
Wir möchten uns auch noch einmal bei unseren Spender*innen und Sponsor*innen bedanken, durch die wir den Kindern die nötigen Schulsachen bereitstellen konnten und sie so problemlos in den neuen Schulabschnitt starten konnten.
Es ist Ihnen sicherlich aufgefallen, dass wir zur Illustration unserer Hilfsmaßnahmen für die Geflüchteten aus der Ukraine keine Bilder verwenden, auf welchen Gesichter zu sehen sind. Warum haben wir uns so entschieden?
Wenn wir den vor Krieg, Gefahr und Gewalt fliehenden Menschen eine Zuflucht bieten, dann denken wir zuerst an ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden.
Geflüchtete erleben Gewalt und Gefahren, von welchen sie uns nicht immer berichten. In dem vom Krieg erfassten Land sind oft ihre Familienmitglieder zurückgeblieben, die sich in Gefahr befinden oder an der Front kämpfen. Wir können weder die Situation vorhersehen noch die Folgen abschätzen, von welchen die Menschen beziehungsweise ihre Verwandten bei einer möglichen Rückkehr nach Haue betroffen wären.
Die Anzahl der Menschen aus der Ukraine, die bei uns Zuflucht gefunden haben, beträgt immer noch knapp 100 Personen. Manche unserer Gäste sind schon seit Beginn hier, seitdem wir unser Zentrum für Geflüchtete geöffnet haben, andere bleiben für kürzere Zeit – sie erholen sich und setzen ihre Reise dann fort. Jedoch kommen bald andere Menschen nach.
Unsere Gäste gewöhnen sich nach und nach an unseren Ort und übernehmen ihrerseits Aufgaben, die neuen Ankömmlinge mit dem Ort und den Gegebenheiten hier vertraut zu machen.
Unser Team bemüht sich weiterhin darum, die Familien mit den nötigsten Gütern zu versorgen und Aktivitäten für Kinder und Erwachsene zu organisieren. Am Tag gibt es Workshops für jüngere und ältere Kinder sowie Polnisch-Sprachkurse für Erwachsene. Wir haben auch mit einem Holz-Workshop für Kinder begonnen, den Tomasz Rosiński , ein befreundeter Bildhauer der Stiftung, durchführen wird. Weiterhin unterstützen wir die Familien bei Gesundheitsthemen.
Hätte ich es geglaubt, wenn mir vor einem halben Jahr jemand gesagt hätte, dass Kreisau bald ein Zufluchtsort für Kriegsgeflüchtete werden würde? Vor einem Krieg, der in einem Nachbarland stattfindet? Vermutlich nicht. Wir haben uns in Europa sicher gefühlt, in dem über 70 Jahre lang ein friedliches Zusammenleben herrschte. Wir haben geglaubt, dass die blutigen Konflikte auf dem Balkan in den 90er Jahren eine Ausnahme waren. Und plötzlich, am 24. Februar 2022, sind wir in einer anderen Wirklichkeit aufgewacht. Und wir haben uns sehr schnell in ihr zurechtfinden müssen.
Als der Ukrainekrieg begann, habe ich, ähnlich wie die meisten von uns, mit Sorge und Fassungslosigkeit die Nachrichten über die Kriegsgeschehnisse hinter der Ostgrenze Polens verfolgt. Wir alle konnten lange nicht glauben, dass der Krieg wirklich ist und dass er auf eine so brutale, unmenschliche Weise Bürger*innen eines unabhängigen, souveränen Landes trifft. Wir waren erschüttert, denn er bedrohte unmittelbar Menschen, mit welchen wir uns erst vor Kurzem in Kreisau getroffen hatten. Das letzte deutsch-polnisch-ukrainische Projekt in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte fand Ende Januar dieses Jahres statt. Teilnehmende waren Jugendliche aus Krzepice, Marl und Dnipro. Wir dachten an all die Personen, mit welchen wir in den letzten Monaten und Jahren zusammengearbeitet haben: Kinder, Jugendliche, Lehrer*innen, Aktivist*innen. Uns trieb die Frage um, ob sie in Sicherheit sind. Wir haben versucht, uns mit ihnen in Verbindung zu setzten und zu fragen, welche Hilfe sie benötigen.