30 Jahre Nachbarschaftsvertrag || Interview mit Krzysztof Kubow - Minister, Leiter des Politischen Büros des Premierministers, Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung Kreisau

In diesem Jahr feierten wir den 30. Jahrestag der Unterzeichnung des Vertrags über gute Nachbarschaft zwischen Polen und Deutschland. Welche Bedeutung hatte dieses Abkommen Ihrer Meinung nach für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu diesem historischen Zeitpunkt?

Der Vertrag hatte meiner Meinung nach vor allem eine stabilisierende Wirkung auf die deutsch-polnischen Beziehungen. Nach schwierigen und schmerzhaften Jahren, die von gegenseitigem Misstrauen geprägt waren, bedeutete dies einen Neuanfang für den Verlauf und das Tempo der Entwicklung der gegenseitigen Beziehungen. Entsprechend ihrem Inhalt und ihrer Botschaft sind wir nicht nur Nachbarn, sondern auch Partner geworden.

Am 17. Juni 1991 wurde der „Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“ zwischen Deutschland und Polen unterzeichnet. Darin äußerten die beiden Vertragsparteien ihre Überzeugung „von der Notwendigkeit, die Trennung Europas endgültig zu überwinden und eine gerechte und dauerhafte europäische Friedensordnung zu schaffen“, des Weiteren verpflichteten sie sich, „den Wunsch ihrer beiden Völker nach dauerhafter Verständigung und Versöhnung in die Tat umzusetzen“.

Der Vertrag über die Versöhnung

Im Vertrag ist insgesamt achtmal von Versöhnung die Rede. Versöhnung wird dabei mit unterschiedlichen Aspekten der deutsch-polnischen Beziehungen in Verbindung gebracht. Der Vertrag postuliert vielfältige Kooperationsformen zwischen den beiden Völkern, um die Versöhnung zu fördern und deren Nachhaltigkeit zu gewährleisten, hierzu gehören u.a. gemeinsame Verantwortung der Deutschen und Polen für den Frieden in Europa, regionale Zusammenarbeit, Kooperationen in so unterschiedlichen Bereichen wie Wirtschaft, kultureller Austausch oder Förderung zwischenmenschlicher Kontakte zwischen Deutschen und Polen, wobei dem Jugendaustausch eine besondere Rolle zukommt.

Am Mittwoch, den 27. Oktober, haben wir an einem besonderen Spaziergang teilgenommen. Wir sind den „Wege der Sinne” gefolgt, die die Künstler*innen des Residenzprogrammes vorbereitet hatten. Leonie Löhr aus Deutschland und Dawid Okoński aus Polen haben durch ihr Kunst- und Naturempfinden besondere Orte in der Umgebung entdeckt. Sie haben eine Reihe von Installationen geschaffen, die dann die einzelnen „Pfade der Sinne“ gebildet haben. Zum Abschluss ihres Künstleraufenthaltes haben die beiden Künstler*innen uns durch die Umgebung geführt und dabei ihre Werke sowie unbekannte Gesichter von Kreisau gezeigt.

Obwohl die Gemeinsame Deutsch-Polnische Schulbuchkommission seit fast einem halben Jahrhundert tätig ist, gibt es in den Schulbüchern beiderseits der Grenze immer noch eine Asymmetrie der Informationen über das Nachbarland, seine Geschichte und Erinnerungskultur. Daher war es von größter Bedeutung, dass die Schulbuchkommission im Jahr 2008 mit der Arbeit an einem sogenannten deutsch-polnischen Geschichtsbuch für die Sekundarstufe in Polen und Deutschland begann.

Zunächst wurden die Kerncurricula in Polen und in den 16 deutschen Bundesländern untersucht, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei den Inhalten des Geschichtsunterrichts in der Primarstufe und der Sekundarstufe I zu ermitteln; und dann wurden die Arbeiten aufgenommen. Nach der Einführung der jüngsten Bildungsreform in Polen wurde beschlossen, dass das entstehende Schulbuch zur Verwendung in Grundschulen (Klassen 5-8) bestimmt wird. Im Sommer 2020 wurde mit der Veröffentlichung des letzten Bandes zur neuesten Geschichte die Arbeit an der vierbändigen Schulbuchreihe mit dem Titel Europa. Unsere Geschichte abgeschlossen, die in Polen von dem Verlag Wydawnictwa Szkolne i Pedagogiczne [Verlagshaus für Schule und Pädagogik] und in Deutschland von der Eduversum GmbH publiziert wurde. Die zuvor erschienenen Bände widmeten sich der Vorgeschichte bis zum Mittelalter (Bd. 1), der Neuzeit (Bd. 2) und der Zeit von 1815 bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts (Bd. 3).  


Die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung lädt zur Präsentation eines Werkes des Künstlerduos Leonie Löhr und Dawid Okoński ein. Die Eröffnung findet am 27.10.2021 um 15:00 Uhr in den Räumlichkeiten der Stiftung Kreisau statt. Das Werk ist ein Ergebnis des zweiten internationalen Künstleraufenthalts “Art. Land. Art”, die mit Unterstützung des deutschen Generalkonsulats in Wrocław realisiert wurde.

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