(4. August 2025)


Es gibt keine Alternative für die deutsch-polnische Zusammenarbeit!
Appell der Kopernikus-Gruppe nach den Parlamentswahlen in Deutschland und den Präsidentschaftswahlen in Polen


Die mehr als zwei Jahrhunderte lang anhaltende, negative Politik Preußens und Deutschlands gegenüber Polen hat zu dauerhaften Spannungen und zu Feindschaft in den deutsch-polnischen Beziehungen geführt. Diese Feindschaft hat ihren tragischen Höhepunkt im Zweiten Weltkrieg erreicht, als der deutsche Überfall unvorstellbares Leiden für die polnische Nation mit sich brachte. Der Krieg kostete letztlich auch das Leben vieler deutscher Staatsbürger und wurde zu einer moralischen Katastrophe für die gesamte deutsche Nation.
Sowohl Ursache als auch Folge des deutsch-polnischen Versöhnungsprozesses nach dem Zweiten Weltkrieg war die tiefe Überzeugung, dass die Logik der Feindschaft unweigerlich zu einer Situation führt, in der sowohl die einen als auch die anderen verlieren. Eine der größten Leistungen beider Nationen war die Einsicht, dass dauerhafte Sicherheit und Wohlstand nur dann möglich sind, wenn wir nicht gegeneinander, sondern miteinander agieren – in gegenseitiger Achtung und Partnerschaft.
Heute muss man das ganz deutlich sagen: Es gibt keine gute Alternative für eine enge deutsch-polnische Zusammenarbeit. Angesichts der gewaltigen Zukunftsherausforderungen wird nur ein gemeinsames, solidarisches Handeln beiden Staaten wirklich Sicherheit und Frieden garantieren. Eine optimale Umgebung für eine derartige Zusammenarbeit sind nach wie vor NATO und Europäische Union.
Die derzeitigen politischen Strömungen in Polen und in Deutschland sind deshalb Anlass zur Unruhe. Zwar sind sie in ihrem Inhalt, in ihrer Form und in ihrem nationalen Kontext verschieden, doch in beiden Ländern gewinnen politische Kräfte an Einfluss, die – jede auf ihre Weise – nationalen Egoismus promoten, die Notwendigkeit einer engen deutsch-polnischen Zusammenarbeit bestreiten und damit die Fundamente der Europäischen Union schwächen. Dies führt zu dem realen Risiko, dass das in den letzten Jahrzehnten in den gemeinsamen Beziehungen Geschaffene vertan wird und wir zu einer Logik der Feindschaft zurückkehren – einer Logik, die in der Vergangenheit zu Leid und Katastrophen geführt hat.
Auf denjenigen politischen Kräften, die Bedeutung und Wert guter deutsch-polnischer Beziehungen verstehen, ruht heute eine besondere Verantwortung. Ihre dringende Aufgabe ist es, diesen gefährlichen Tendenzen entgegenzuwirken. Diese Anstrengungen können und sollten folgendes umfassen:

  1. Intensivierung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit:

    Gemeinsame Aktivitäten zugunsten der Sicherheit beider Staaten stärken das gesellschaftliche Gefühl der Stabilität und schwächen dadurch den Einfluss radikaler und populistischer Narrative. Gemeinsame Sicherheit lässt gemeinsames Vertrauen entstehen – und eine größere Akzeptanz für die deutsch-polnische Partnerschaft.

  2. Eine breit angelegte Informationskampagne:

    Notwendig ist eine umfassende, professionelle Informationskampagne, die bewusst macht, wie viel beide Seiten heute schon der deutsch-polnischen Zusammenarbeit verdanken – und welche Chancen ihre weitere Vertiefung bedeutet. Es muss mit Entschlossenheit denjenigen Narrativen entgegengewirkt werden, die Feindschaft zwischen unseren Gesellschaften säen, weshalb die hierfür besonders empfänglichen gesellschaftlichen Gruppen erreicht werden müssen.
  3. Stärkung der zivilgesellschaftlichen Einrichtungen und Initiativen:

    Es ist notwendig, diejenigen Einrichtungen zu stärken, die an guten nachbarschaftlichen Beziehungen arbeiten (darunter die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und das Deutsch-Polnische Jugendwerk), sowie die zahlreichen gesellschaftlichen Initiativen, die seit Jahren auf beiden Seiten der Grenze
    ein Netz von Personen bilden, die sich für gute Beziehungen und gegenseitiges Vertrauen einsetzen. Diese wirken am besten Desinformation entgegen und verringern die Anfälligkeit der Gesellschaft für populistische Narrative.

  4. Aktualisierung des Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrags von 1991:

    Die Aktualisierung des Nachbarschaftsvertrags von 1991, vielleicht in Gestalt einer Deutsch-Polnischen Erklärung über Freundschaft und Strategische Zusammenarbeit in Europa, sollte die Notwendigkeit unterstreichen, in Fragen von Sicherheit und Verteidigung strategisch zusammenzuarbeiten, aber auch hervorheben, dass es nötig ist, die zwischenmenschlichen Kontakte zu vertiefen, Nicht-Regierungsorganisationen zu unterstützen sowie die Zusammenarbeit in Kultur und Bildung zu entwickeln.

  5. In Polen: Entwicklung eines modernen, europäischen Modells von Patriotismus:

    Es gilt, sich entschlossen der populistischen Sicht von Patriotismus entgegenzustellen, in der die antideutsche Komponente ein konstitutiver Bestandteil ist. Es ist vielmehr ein Modell des Patriotismus zu betonen, das sich auf europäische Integration, Offenheit und Zusammenarbeit mit den Nachbarn stützt. Wichtig ist, zu überzeugen, dass Patrioten diejenigen sind, die gute Beziehungen zu Deutschland entwickeln und nicht jene, die sie in Frage stellen. Es gilt, der Marginalisierung deutscher Sprache, Geschichte und Kultur im polnischen Bildungswesen entgegenzuwirken, die deutsche Minderheit zu unterstützen und sich vertieft mit der gemeinsamen Geschichte auseinanderzusetzen. Dabei sollte die Bedeutung der deutsch-polnischen Beziehungen in den vergangenen Jahrhunderten ebenso berücksichtigt werden wie die Werte der Europäischen Union.

  6. In Deutschland: Wiederaufbau von Vertrauen und Achtung polnischer Empfindlichkeiten:

    Notwendig ist es, schnellstmöglich und auf eine die polnische Seite überzeugende Weise die strittigen Fragen zu klären, die die beiderseitigen Beziehungen belasten und die antideutschen Narrative in Polen stärken. Man kann keine guten Beziehungen zum Nachbarn errichten, ohne sich offen und ehrlich mit der schwierigen Geschichte auseinanderzusetzen, darunter auch mit dem Erbe der antipolnischen Politik Preußens und Deutschlands seit Mitte des 18. Jahrhunderts, und ohne eine Wiedergutmachung für die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs zu leisten. Notwendig ist es auch, die Präsenz polnischer Sprache, Geschichte und Kultur im deutschen Bildungssystem zu vergrößern und die polnische Bevölkerung in Deutschland aktiv zu unterstützen. Unmittelbar sollte außerdem – im Geist der europäischen Solidarität – das Problem der wieder eingeführten Grenzkontrollen gelöst werden. Sie verursachen erhebliche Schäden für Image und Wirtschaft, vor allem aber widersprechen sie der Idee der europäischen Integration.


Für die Kopernikus-Gruppe:
Prof. Dr. Peter Oliver Loew, Darmstadt; Dr. habil. Robert Żurek, Kreisau (4. August 2025)
Die Kopernikus-Gruppe ist ein Projekt des Deutschen Polen-Instituts und der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung.

Kontakt:
Robert Żurek: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Peter Oliver Loew: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Möchten Sie auf dem Laufenden bleiben?

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erfahren Sie so als erste(r) von den bevorstehenden Veranstaltungen!