Wie sollte sich die Stiftung Kreisau in Angesicht der Klimakrise, der Degradierung der natürlichen Umwelt und der immer gravierenderen sozio-ökonomischen Probleme verhalten? Die Aufgabe der Stiftung liegt unserer Meinung nach vor allem darin, mutige Fragen zu stellen, die Ausbeutung der Erde und ihrer Bewohner*innen kritisch zu hinterfragen, nach konstruktiven Lösungsansätzen für eine bessere Zukunft zu suchen sowie Denkweisen zu fördern, die von Respekt für die Umwelt und ihre Ressourcen sowie von Solidarität für Andere geprägt sind.
Die Stiftung als Ort der Begegnung und Bildung, den jährlich über 10 000 Menschen besuchen, bietet weitreichende Möglichkeiten für die Umsetzung umweltfreundlicher Maßnahmen. Gleichzeitig verpflichtet auch ihre Satzung sie dazu: So gehören zu der Stiftungsarbeit u. a. Tätigkeiten, die „Ökologie, Tier- und Naturschutz“ fördern. Der Zweck der Stiftung besteht laut Satzung darin, „Aktivitäten zu initiieren und zu fördern, die auf ein friedliches und von gegenseitiger Toleranz geprägtes Zusammenleben der Völker, Gesellschaftsgruppen und einzelnen Menschen zielen.“ Auch die Klimakrise und die Degradierung der Umwelt stellen in diesem Sinne eine immer stärker werdende Bedrohung für den Frieden dar.
Umweltfreundlichkeit ist seit den Anfängen der Stiftung in ihrer Tätigkeit verankert. In den letzten Jahren wurden die Aktivitäten in diesem Bereich jedoch ausgeweitet und immer stärker weiterentwickelt. Wir streben danach, Kohärenz zwischen den Inhalten, die im Rahmen der Bildungsaktivitäten vermittelt werden, und der praktischen Funktionsweise der stiftungsgeführten Bildungs- und Begegungsstätte zu erreichen. Aus diesem Grund geben wir uns Mühe, um einen Ort für ökologische Bildung zu schaffen, der gleichzeitig die Ansätze nachhaltiger Entwicklung verinnerlicht hat und fördert.
Seit einigen Jahren besteht in Kreisau unter dem Namen Der Grüne Tisch eine Arbeitsgruppe, die für die umweltfreundliche Entwicklung der Stiftung zuständig ist. Sie dient als Forum für Diskussion sowie die Umsetzung von Ideen und engagiert hierbei sowohl Mitarbeiter*innen der inhaltlichen Abteilungen als auch aus der Verwaltung und den technischen Bereichen. Durch seine Zusammensetzung kann der Grüne Tisch auf effektive, kreative und realitätsorientierte Weise Vorschläge machen, beratschlagen und letztendlich auch bei der Umsetzung umweltfreundlicher Lösungsansätze in verschiedenen Bereichen der Stiftungstätigkeit helfen.
Die Unterstützung des Grünen Tisches nutzend, arbeitet die Stiftungsleitung momentan an einem Konzept, das Richtlinien für die umweltfreundliche Entwicklung der verschiedenen Arbeitsbereiche der Stiftung festlegen soll.
ARBEITSBEREICHE
Ökologische Bildung
Ökologie stellt eines der Schlüsselthemen dar, die im Rahmen der Bildungstätigkeit der Stiftung behandelt werden. Die Stiftung arbeitet stetig daran, die hohe Qualität von non-formalen Bildungsangeboten in den Themenbereichen Klima, Natur und Umwelt, Ökologie sowie nachhaltige Entwicklung sicherzustellen. Wir erarbeiten und nutzen innovative Bildungsmethoden aus dem Bereich der ökologischen Bildung, wie z.B. die Methoden, die in den Bildungsmaterialen zum Thema nachhaltige Ernährung enthalten sind. Diese wurden als erste derartige Publikation in Polen in Anlehnung an Ansätze aus der Peer-Education (Bildung von Gleichaltrigen durch Gleichaltrige) erarbeitet. Zudem sorgen wir dafür, dass unser Team sowie alle externen Mitarbeiter*innen über die nötigen pädagogischen und inhaltlichen Kompetenzen verfügen.
Aus dem Bewusstsein heraus, dass ökologische Bildung einen sehr breit gefächerten Themenkomplex umfasst, hat sich die Stiftung dazu entschieden, sich vor allem in ausgewählten Themenbereiche weiterzuentwickeln:
- Bildung für nachhaltige Ernährung vereint verschiedene Themenstränge, die mit Umwelt, Klimaveränderungen, globalen Zusammenhängen, Umweltressourcen und der ausbeuterischen Wirtschaftsweise des Menschen zusammenhängen. Das Thema Ernährung weist eine große Realitätsnähe für Kinder und Jugendliche auf und kann so als Ausgangspunkt dazu dienen, abstrakte und komplizierte Zusammenhänge auf einfache Weise zu verdeutlichen. Der ländliche Standort der Stiftung begünstig den Kontakt zu Lebensmittelproduzenten und somit auch die gemeinsame Umsetzung von Projekten.
- Naturbildung im Grünen. Dass Kinder, Jugendliche und teilweise auch Erwachsene immer weniger Kontakt zur Natur haben, wird zu einem immer ernsteren Problem. Ohne Kontakt mit der natürlichen Umwelt kann der Mensch kein Gefühl der Zusammengehörigkeit mit der Natur entwickeln und somit nicht verstehen, dass auch wir Menschen Teil des Ökosystems sind. Der direkte Kontakt zur Natur kann dazu führen, dass sich die Einstellung in Bezug auf die Nutzung von natürlichen Ressourcen ändert und der Mensch eine respektvolle Haltung gegenüber der natürlichen Umwelt entwickelt. Bildungsstätten, die im Grünen liegen, bieten ideale Räume, um Empfindsamkeit in Bezug auf Natur sowie Naturverbundenheit zu fördern und zu stärken. Beides ist wichtig, wenn man davon ausgeht, dass es schwierig ist, etwas zu schützen, das man nicht kennt.
- Globales Lernen ist eine Bildungsperspektive, die auf der Tatsache gründet, dass der zeitgenössische Mensch in einer immer stärker globalisierten Welt lebt und handelt. Dieser Ansatz fördert die Fähigkeiten, kritisch zu denken, die eigene Sichtweise zu verändern sowie komplexe Zusammenhänge zu reflektieren, die zwischen sozialen, ökologischen, politischen und ökonomischen Fragestellungen bestehen. Zudem stärkt Globales Lernen die Übernahme von Verantwortung für die Erde, den Globalen Süden sowie die zukünftigen Generationen.
Uns ist wichtig, dass sich in Kreisau Lernmomente auch auf beiläufige Weise ereignen können. Allein durch den Aufenthalt in der Bildungs- und Begegungsstätte der Stiftung lernt man umweltfreundliche Lösungsansätze aus verschiedenen Bereichen kennen. Verschiedene Kommunikationsformen, die sich in den für Gruppen und Besucher*innen zugänglichen Räumen wie auch im virtuellen Raum befinden, unterstützen diese Art informelle Bildung (z.B. Poster zum Thema Ernährung im Speisesaal oder Öko-Bedienungsanleitungen für verschiedene Geräte).
Auch unser Team bildet sich im umweltbezogenen Bereich weiter. Regelmäßige Fortbildungen dienen dazu, unsere Umweltziele zu vereinheitlichen und das interne Potenzial im Sinne der Umsetzung dieser Ziele zu stärken.
Infrarstruktur
Die Stiftung verwaltet einen Komplex, der aus 13 Gebäuden besteht. Diese werden allesamt auf intensive Weise von den Stiftungsgästen (über 30 000 Übernachtungen pro Jahr) sowie den Mitarbeiter*innen (mehrere Dutzend Personen arbeiten täglich auf dem Stiftungsgelände) genutzt. Eine derart große Infrastruktur, die ständig renoviert und an neuaufkommende Bedürfnisse angepasst wird, sowie die derart intensive Nutzung generieren einen hohen Ressourcenverbrauch und gleichzeitig das Bedürfnis, diesen Verbrauch einzuschränken.
Wir zielen darauf ab, die CO2-Emissionen, die mit der Stiftungstätigkeit zusammenhängen, zu verringern und immer sparsamer mit Ressourcen umzugehen, insbesondere im Bereich des Wasser- und Stromverbrauchs wie auch der Abfallproduktion. Eine der wichtigsten Investitionen der vergangenen Jahre stellte der Wechsel des Energieträgers für die Beheizung des gesamten Stiftungskomplexes dar. Der Ausstoß von CO2 wurde durch den Ersatz von Heizöl durch Hackschnitzel deutlich verringert. In einigen Gebäuden wurden zudem Systeme installiert, dank derer Regenwasser bei der Toilettenspülung genutzt werden kann. Mehr als 90% aller 3 500 Glühbirnen wurden zudem bereits durch LEDs ersetzt. Aufgrund des spezifischen Charakters des Gebäudekomplexes, der unter Denkmalschutz steht, können nicht alle Vorhaben realisiert werden – so dürfen wir zum Beispiel auf den meisten Gebäuden keine Solaranlagen anbringen.
Grünflächen
Die Lage des Stiftungsgeländes zeichnet sich vor allem durch die Qualität ihres natürlichen Umfelds aus. Die Stiftung liegt inmitten einer vielseitigen Umgebung, die eine Vielzahl verschiedener Biotope aufweist (u. a. Ackerflächen, ungemähte Wiesen, Graben mit Röhrichtpflanzen, junger Laubwald, verwildeter Obstgarten). Diese Vielfalt an Biotopen fließt positiv auf die Diversität tierischer und pflanzlicher Arten ein. Die Stiftung kümmert sich um die umliegenden Grünflächen und zielt darauf ab, das Naturpotenzial Kreisaus für Bildungs- und Erholungszwecke so gut es geht auszunutzen. Die Pflege der Grünanlagen ist somit so wenig invasiv und umweltbelastend wie möglich und fördert die Biodiversität.
Ernährung
Auf dem Gelände der Stiftung befindet sich eine Großküche sowie eine Restaurant, in denen jährlich rund 127 000 Mahlzeiten zubereitet werden. Hierbei wird eine riesige Menge an Lebensmitteln verarbeitet. Zu den umweltfreundlichen Aktivitäten, die wir im Ernährungsbereich durchführen, gehört ein Essenangebot, das auch vollwertige und schmackhafte vegetarische bzw. vegane Gerichte beinhaltet, die täglich im Speiseplan auftauchen. Hierdurch kann der Verzehr von Fleisch sowie anderer tierischer Produkte eingeschränkt werden. Zudem zielen wir darauf ab, einen möglichst hohen Anteil an lokalen, saisonalen sowie – insofern möglich – ökologische Produkten bei der Essenzubereitung zu nutzen.
Lokale Bevölkerung
Eine der Grundannahmen von Nachhaltigkeit besteht in der Förderung lokaler Bevölkerungen. Zu unseren Zielen, welche sich auf die umweltfreundliche Entwicklung der Stiftung beziehen, zählen somit auch das Herstellen zwischenmenschlicher Beziehungen, die Gestaltung von Dialog sowie die Vertiefung der Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung, die Förderung umweltfreundlicher Aktivitäten im lokalen Umfeld und die Sorge um die gemeinsame Umgebung der Stiftung und der Einwohner*innen Kreisaus.
Die Umsetzung umweltfreundlicher Maßnahmen ist für eine Nichtregierungsorganisation, die große Bedürfnisse und gleichzeitig begrenzte Ressourcen aufweist, keine einfache Aufgabe. So setzt sich die Stiftung zwar ehrgeizige Ziele, doch vor allem solche, die in der Realität ihrer Funktionsweise umsetzbar sind. Trotz aller Schwierigkeiten, die mit einer umweltfreundlichen Ausrichtung einhergehen, wollen wir unsere Tätigkeit in diesem Bereich weiterentwickeln. Der Einsatz für eine gerechtere, nachhaltigere und grünere Welt ist unserer Meinung nach heute unabdingbar und ein Zeichen der Übernahme von Verantwortung für eine bessere Zukunft für uns alle.
Anna Dańkowska - Projektkoordinatorin der Europäischen Akademie der Stiftung Kreisau in den Jahren 2018-2020; Zurzeit freier MitarbeiterIn
Dr. Robert Żurek - Geschäftsführender Vorstand der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung
Die Unterseite „Das Grüne Kreisau“ ist dank der finanziellen Unterstützung von Heinrich-Böll-Stiftung entstanden.