Darmstadt, Kreisau, im Januar 2025

 

Präambel

Dieses Manifest ist eine Stimme der Zivilgesellschaft, der zahlreichen Organisationen, Akteure und Akteurinnen, die seit vielen Jahren auf beiden Seiten der Grenze einen Beitrag zur Gestaltung der deutsch-polnischen Nachbarschaft im vereinigten Europa leisten.

Enge, vertrauensvolle und freundschaftliche deutsch-polnische Beziehungen haben eine Schlüsselfunktion für die Zukunft unserer beiden Staaten. Vor uns stehen immense Herausforderungen: die Stärkung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik angesichts von Russlands Krieg in der Ukraine, der wachsende Populismus, die Krise der liberalen Demokratie sowie die zunehmende Polarisierung der Gesellschaften. Hinzu kommen die Klima- sowie die Migrationskrise.

Im November 2024 haben wir den 35. Jahrestag der historischen Versöhnungsmesse in Kreisau gefeiert. Ausgehend von den Beratungen und Gespräche dort erinnern wir die Regierungen in Berlin und Warschau daran, wie zentral der Ausbau und die Förderung der deutsch-polnischen zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit sind. Die bisherigen Bemühungen auf diesem Feld sehen wir als unzureichend an. Dieses Manifest greift Vorschläge der Kopernikus-Gruppe und anderer Akteure auf, die sich für die Pflege der zivilgesellschaftlichen Kontakte zwischen Deutschen und Polen einsetzen.

Für mehr Mut und Entschlossenheit


 Wir begrüßen die Anstrengungen unserer Regierungen, die deutsch-polnischen Beziehungen auf politischer Ebene zu verbessern, was nicht zuletzt 2024 in der Wiederaufnahme der deutsch-polnischen Regierungskonsultationen einschließlich der Veröffentlichung eines deutsch-polnischen Aktionsplans ihren Ausdruck fand.

 Wir sind aber besorgt, dass nach den schwierigen Jahren des politischen Stillstands diese Zusammenarbeit zu langsam in Gang kommt. In dem von den Regierungen entworfenen Aktionsplan vermissen wir konkrete, mutige Projekte, um die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit zu stärken und auszubauen. In diesem Sinne rufen wir die politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger beider Länder dazu auf, den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag von 1991 zu bilanzieren. Wir brauchen Diskussionen und Lösungsvorschläge über die noch nicht geklärten Fragen. Am Ende dieses Prozesses könnte ein neuer „Deutsch-Polnischer Vertrag für gemeinsame Verantwortung in Europa“ stehen.

 Zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit stärken


 Es war die Zivilgesellschaft – nicht die Politik –, die den Versöhnungsprozess in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg in Gang gesetzt hat. Außerstaatliche Akteure haben ein ganzes Netz von Organisationen und Institutionen auf allen Ebenen geschaffen, die trotz politischer Spannungen einen wichtigen Beitrag zu unseren Beziehungen geleistet haben und weiterhin leisten. Nicht wegzudenken sind in dem Zusammenhang die zahlreichen Städte- und Gemeindepartnerschaften, die sehr konkrete und niedrigschwellige Begegnungsräume geschaffen haben. Dieses Netzwerk sorgt in seiner tagtäglichen Arbeit dafür, die sich zunehmend polarisierenden Gesellschaften im eigenen Land und grenzüberschreitend zusammenzubringen. Eine Politik der guten Nachbarschaft ist auf die Zivilgesellschaft als Resonanz- und Aktionsraum angewiesen.

 Der Aktionsplan enthält – trotz manch deklarierter Absichten – nicht viele konkrete Angebote. Zu diesen zählt der Wunsch, „im Rahmen der bestehenden Strukturen der deutsch-polnischen Zusammenarbeit (...) ein deutsch-polnisches Parlament der Zivilgesellschaft“ zu schaffen. Diese ursprünglich von der Kopernikus-Gruppe vorgeschlagene Initiative stellen wir uns als ein regelmäßig zusammentretendes Gremium vor, an dem sowohl delegierte Vertreterinnen und Vertreter anerkannter Organisationen der deutsch-polnischen Zusammenarbeit als auch gewählte bzw. ausgeloste Einzelpersonen teilhaben und das als Ergebnis eines gesamtgesellschaftlichen Prozesses wahrzunehmen ist. Die Ergebnisse der Beratungen sollten auf dem Deutsch-Polnischen Forum und mithilfe anderer Kreise politische Entscheidungstragende erreichen.

Die Instrumente der zivilgesellschaftlichen Aktivitäten müssen strukturell gesichert werden und es müssen niedrigschwellige Förderstrukturen geschaffen werden. Auch in Zeiten knapper Kassen sollte klar sein, dass eine Unterstützung dieses kostbaren Netzwerks unsere Gesellschaften resilienter macht im Umgang mit den neuen politischen Herausforderungen, vor denen ganz Europa heute steht.

Auf Zukunft setzen


Nur wenn sich zivilgesellschaftliche Strukturen fortwährend erneuern und mit dem Zeitgeist gehen, bleiben sie aktiv, agil und zukunftsorientiert. Deshalb müssen wir Räume schaffen, in denen junge Menschen sich (auch) niedrigschwellig begegnen, sichtbar werden, Gehör finden und transnational Mitverantwortung für unsere Nachbarschaft übernehmen.

Dieses Zusammenwirken und sich für die gemeinsame Sache einzusetzen ist entscheidend dafür, nachhaltiges Interesse für das Nachbarland zu wecken, gegen alte Denkmuster und Vorurteile anzugehen und somit eine weitere Annäherung unserer Gesellschaften zu ermöglichen. Sie hilft uns auch dabei, die demokratische Kultur zu stärken sowie den nationalistischen Tendenzen und der Ausgrenzung einzelner Gruppen in unseren Gesellschaften aktiv entgegenzuwirken.

Sprache und Bildung sind Schlüssel zur Verständigung. Lernen wir die Sprache und Geschichte des Nachbars kennen, gewinnen wir zugleich einen tiefgründigen Einblick in seine Identität, Denkweise sowie Werte- und Weltvorstellung. Wir fordern die Regierungen dazu auf, mehr Engagement und vor allem Kontinuität für die Förderung der polnischen Kultur und Sprache in Deutschland und der deutschen Kultur und Sprache in Polen aufzubringen. Lasst uns aufeinander neugierig bleiben!

Wir freuen uns, dass die Regierungen sich dessen bewusst sind und sich „weiterhin für die Entwicklung der deutsch-polnischen Jugendzusammenarbeit einsetzen” möchten. Diesen Bekundungen müssen nun Taten folgen. Der Haushalt des Deutsch-Polnischen Jugendwerks muss so ausgestattet sein, dass alle interessierten Austauschgruppen zeitnah daran teilhaben können. Zugleich darf an der Jugend durch Satzsenkungen nicht gespart werden. Auch muss das Netzwerk der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich um deutsch-polnische Jugendbegegnungsarbeit kümmern, weiter gestärkt und um die europäische Dimension erweitert werden. Ein freiwilliges deutsch-polnisches soziales Jahr ist längst überfällig!

Das Vermächtnis der Versöhnung


Die deutsch-polnische Aussöhnung ist das Ergebnis von Initiativen einzelner mutiger Menschen aus beiden Gesellschaften. Sie lehrt uns, wie viel Zivilcourage, Verantwortung, Kreativität und Weitsicht Menschen aufgebracht haben, um den „Fatalismus der Feindschaft“ (Stanisław Stomma) zu überwinden. Um diese historische Leistung beneiden uns viele andere, konfliktbelastete Nationen.

Der Aktionsplan der Regierungen widmet den schwierigen Kapiteln der deutsch-polnischen Geschichte die gebührende Aufmerksamkeit. Wir unterstützen die Errichtung eines Deutsch-Polnischen Hauses sowie eines Denkmals für die im Zweiten Weltkrieg ermordeten polnischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Berlin. Wir erwarten eine rasche Einigung in der umstrittenen Entschädigungsfrage, denn die uns trennenden Kapitel der Geschichte dürfen unsere Beziehungen nicht mehr belasten. Aber wie wir aus vielen Umfragen - etwa dem Deutsch-polnischen Barometer - wissen, wollen sich unsere Gesellschaften in besonderem Maße den Herausforderungen der Zukunft widmen. Das Vermächtnis der deutsch-polnischen Versöhnung verpflichtet uns dazu, mutig nach vorne zu schauen.

Liste der ErstunterzeichnerInnen

  • Prof. Dr. Felix Ackermann, Zaoczny Uniwersytet w Hagen / FernUniversität Hagen
  • Dr. Joanna Andrychowicz-Skrzeba
  • Anita Baranowska-Koch, Przewodnicząca Towarzystwa Niemiecko-Polskiego w Berlinie / Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Berlin
  • Stephen Bastos, Fundacja Genshagen / Stiftung Genshagen
  • Małgorzata Bobrowska, Prezeska Fundacji Bezlik, Międzynarodowy Dom Spotkań Młodzieży Mikuszewo / Vorsitzende der Stiftung Bezlik, Internationales Jugendbegegnungshaus Mikuszewo
  • Bernd Böttcher, Przewodniczący Zarządu/ Vorstandsvorsitzender der Kreisau-Initiative e. V.
  • Dr. Aleksandra Burdziej, Prezes Zarządu Krajowego Związku Towarzystw Polsko-Niemieckich – Uniwersytet Mikołaja Kopernika w Toruniu / Landesverband der Polnisch-Deutschen Gesellschaften - Nikolaus-Kopernikus-Universität Thorn
  • Prof. Dr. Waldemar Czachur, Uniwersytet Warszawski / Universität Warschau
  • Maryna Czaplińska, Członek zarządu Klubu Inteligencji Katolickiej w Warszawie / Vorstandsmitglied des Klubs der Katholischen Intelligenz Warschau
  • Lucjan Dzumla, Dyrektor Generalny Domu Współpracy Polsko-Niemieckiej / Generaldirektor des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit
  • Dr. Annemarie Franke
  • Prof. Dr. Stefan Garsztecki, Technische Universität Chemnitz
  • Marzenna Guz-Vetter
  • Gunnar Hille, Dyrektor Centrum Kompetencji i Koordynacji Języka Polskiego/ Direktor des Kompetenz- und Koordinationszentrums Polnisch
  • Ole Jantschek, Zastępcą przewodniczącego Rady Fundacji „Krzyżowa” dla Porozumienia Europejskiego / Vorsitzender des Stiftungsrats der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung
  • Joanna Klęczar-Déodat, Dyrektorka Międzynarodowego Domu Spotkań Młodzieży w Oświęcimiu / Direktorin der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim/Auschwitz
  • Andreas Gerold König, Przewodniczący Federalny Pax Christi Sekcja Niemiecka/ Bundesvorsitzender Pax Christi - deutsche Sektion e.V.
  • Kornelia Kurowska, Prezeska Fundacji BORUSSIA / Vorsitzende der Stiftung BORUSSIA
  • Prof. Dr. Peter Oliver Loew, Dyrektor Niemieckiego Instytutu Spraw Polskich w Darmstadt / Direktor des Deutschen Polen-Instituts Darmstadt
  • Dr. Agnieszka Łada-Konefał, Zastępczyni Dyrektora Niemieckiego Instytutu Spraw Polskich w Darmstadt / Stellvertretende Direktorin des Deutschen Polen-Instituts Darmstadt
  • Dr. Markus Pieper, Prezes Fundacji Saksońskie Miejsca Pamięci/ Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten
  • Dr. Anna Quirin, Dyrektor zarządzająca Fundacji im. Freyi von Moltke na rzecz Krzyżowej / Geschäftsführerin der Freya von Moltke-Stiftung
  • Bastian Sendhardt, Niemiecki Instytut Spraw Polskich, Biuro w Berlinie / Deutsches Polen-Institut, Büro Berlin
  • Grzegorz Stawarz, Dyrektor Wydziału Oświaty i Wychowania Starostwa Powiatu Świdnickiego / Direktor der Abteilung für Bildung und Erziehung des Landratsamtes Świdnica
  • Prof. Dr. Pierre-Frédéric Weber, Uniwersytet Szczeciński / Universität Stettin
  • Jolanta Węglowska, Dyrektor Zespołu Szkół EKOLA / Direktorin des Schulzentrums EKOLA
  • Prof. Dr. Klaus Ziemer
  • Dr. hab. Robert Żurek, Dyrektor Zarządzający, Członek Zarządu Fundacji „Krzyżowa” dla Porozumienia Europejskiego / Geschäftsführender Vorstand der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung

Das Manifest kann über folgenden Link unterzeichnet werden: https://www.openpetition.de/petition/online/manifest-pol-niem-spoleczenstwa-obywatelskiego

 

 

 

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