Am 13. Dezember 1981 verhängte die Führung der Volksrepublik Polen das Kriegsrecht. Dabei handelte es sich um einen Versuch, die demokratische Opposition gewaltsam zu unterdrücken, um ein Regime ohne gesellschaftliche Legitimation aufrechtzuerhalten. 40 Jahre später werden die Bürger:innen der Republik Belarus verfolgt, die gegen die gefälschten Präsidentschaftswahlen und staatliche Gewalt protestiert hatten. Im Gedenken an die Opfer politischer Repression vor 40 Jahren und in Sorge um das aktuelle Geschehen in Belarus rufen die Mitglieder der deutsch-polnischen Kopernikusgruppe die deutsche und die polnische Gesellschaft heute zur Solidarität mit den Menschen aus diesem Land auf.
Die von Alexander Lukaschenka herbeigeführte Migrationskrise lenkte die Aufmerksamkeit auf die dramatische Lage an der Außengrenze der Europäischen Union. Doch nicht nur dort, sondern in ganz Belarus gelten im Dezember 2021 keine Menschenrechte. Die Angehörigen des autoritären Regimes unterdrücken die eigenen Bürger:innen mit offener Gewalt. Über 900 Menschen werden heute für ihre politischen Überzeugungen in belarussischen Gefängnissen festgehalten. Mitten in Europa sind Polizeigewalt und Folter Alltag. Die Todesstrafe wird noch immer vollstreckt. Im Dezember 2021 ist mit der Entlassung von Dutzenden Lehrer:innen, Bibliotheks- und Museumsmitarbeiter:innen zu rechnen, die im Sommer 2020 an den friedlichen Protesten teilgenommen hatten.
Viele der von staatlichen Repressionen Betroffenen müssen Belarus verlassen, um ein Auskommen zu finden oder einer Verhaftung zu entgehen. Zehntausende Belarus:innen flohen bereits zuvor. Die meisten fanden Zuflucht und Unterstützung in Polen und Litauen. Dabei handelt es sich um die größte Fluchtwelle im östlichen Europa seit der Ausreise Hunderttausender Pol:innen nach Westeuropa in Folge des im Dezember 1981 verhängten Kriegszustands und seit den durch die russische Annexion der Krim sowie den anhaltenden Krieg im Donbas ausgelösten Migrationsbewegungen.
Die deutschen und polnischen Erfahrungen mit kommunistischen Diktaturen beinhalten drei zentrale Lektionen, die heute auch für die belarusische Gesellschaft von Bedeutung sind: Staatliche Gewalt gegenüber Einzelnen hinterlässt auf Jahrzehnte Spuren. Im Moment der Verfolgung zählt jede Form von Solidarität. Und: Es ist möglich, autoritäre Regime von innen heraus auf friedlichem Wege zu überkommen, wenn Menschen füreinander und für freiheitliche Prinzipien einstehen.
Wir fordern die neue Bundesregierung auf, neue Wege zu finden, um die Zivilgesellschaft in Belarus sowie die geflüchteten Belarus:innen gemeinsam mit Polen zu unterstützen. Der bevorstehende Gipfel der Östlichen Partnerschaft in Brüssel bietet eine gute Gelegenheit, um sich entschieden und geschlossen hinter die Menschen aus Belarus zu stellen, die heute in unmittelbarer Nachbarschaft der Europäischen Union verfolgt werden. Wir erinnern an die anhaltende Wirkung der Solidarität, die 1981 als Reaktion auf das Kriegsrecht die deutsche und polnische Gesellschaft verband, und schlagen vor, noch vor dem Jahreswechsel auch privat Organisationen zu unterstützen, die sich in Deutschland und Polen für die politisch Verfolgten aus Belarus einsetzen.
Darmstadt, Warschau im Dezember 2021
Solidarität mit den Menschen aus Belarus. Aufruf der deutsch-polnischen Kopernikus-Gruppe.pdf
Kontakt:
Prof. Dr. Waldemar Czachur, polnischer Ko-Vorsitzender der Kopernikus-Gruppe (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
Prof. Dr. Peter Oliver Loew, deutscher Ko-Vorsitzender der Kopernikus-Gruppe (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
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Seit 2020 leitet die Stiftung Kreisau für Europäische Zusammenarbeit gemeinsam mit dem Deutschen Polen Institut die Kopernikus Gruppe.