Diese Woche möchten wir Ihnen einen Text von Ondrej Matejka empfehlen, dieser betrachtet den deutsch-polnischen Annäherungsprozess aus einer ungewöhnlichen Perspektive, nämlich aus der Perspektive eines südlichen Nachbarn beider Länder.
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Auch wenn die deutsch-polnische Versöhnung als höchst bedeutender Prozess gilt, muss man sich damit abfinden, dass er in Tschechien weitestgehend unbekannt ist. Die Versöhnung zwischen Deutschen und Polen ist im Bewusstsein der tschechischen Gesellschaft nicht präsent, mit Ausnahme einiger weniger Historiker. Aus diesem Grund ist es praktisch unmöglich darüber zu berichten, wie die deutsch-polnische Versöhnung aus tschechischer Perspektive betrachtet wird. Warum ist das so?
Die Situation ist gewiss ein wenig verwunderlich, denn aus geografischer Perspektive besteht eine klare Nähe. Auch die Bemühungen um Versöhnung mit den Deutschen verliefen in Polen und Tschechien mehr oder weniger zeitgleich. Der wohl wichtigste Grund liegt somit vermutlich vor allem darin, dass das deutsch-polnische bzw. das deutsch-tschechische Zusammenleben jeweils eine sehr lange Geschichte haben und unabhängig voneinander, von einer eigenen Dynamik angetrieben verliefen. Sicher kommt noch ein generell geringes Interesse an der Geschichte des Nachbarn hinzu, welches leider die Frucht einer nationalistischen bzw. in heutigen Tagen ethnozentrischen historischen Bildung ist.
ONDREJ MATEJKA - DEUTSCH-POLNISCHE VERSÖHNUNG AUS TSCHECHISCHER SICHT.pdf
Ondrej Matejka. Historiker und Politologe. Stellvertretender Direktor des Tschechischen Instituts für das Studium totalitärer Regime (Ústavu pro studium totalitních režimů). Mitglied der Gedenkstätten- und Europäische Akademiekommision der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung.
* Der Text wurde veröffentlichht in:( Un)versöhnt? Gedanken über die deutsch-polnischen Beziehungen nach 1945, Tomasz Skonieczny (Hg.), Wrocław 2019.