Annemarie Franke, Aufsichtsrat der Stiftung Kreisau
Andreas Möckel zählte zu den Gründern der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung und begleitete die Arbeit der Stiftung in seinem beruflichen und ehrenamtlichen Engagement bis zuletzt. Davon zeugt der Jahresrundbrief der Berliner Kreisau-Initiative, für den Andreas Möckel noch kurz vor seinem Tod im Alter von 92 Jahren einen Beitrag über die jährliche Gedenkfeier an den 20. Juli 1944 in Würzburg vorbereitet hatte.
Andreas Möckel war bis zu seiner Emeritierung 1992 Professor für Sonderpädagogik an der Universität Würzburg. Seine Beiträge als Wissenschaftler und Pädagoge sind hochgeschätzt.
Ich habe Andreas Möckel bei einer meiner ersten Maikonferenzen Anfang der 2000er Jahre kennen gelernt. Diese Jahrestagungen waren früher das Wiedersehen und gemeinsame Weiterdenken der Freunde und Förderer der Stiftung Kreisau und ihrer Internationalen Jugendbegegnungsstätte. Ich erlebte ihn ebenso als Betreuer von Studierenden bei Reisen nach Polen und als aktiven Ehrenamtlichen in seiner eigenen Stadt, in Würzburg.
Über seine Eltern hatte er eine persönliche Beziehung zum Widerstand des Kreisauer Kreises. Hans-Bernd von Haeften und seine Frau Barbara kannten die Familie Möckel aus ihrer Zeit an der Deutschen Botschaft in Bukarest während des Zweiten Weltkrieges. Der Vater Konrad Möckel war evangelischer Stadtpfarrer in Kronstadt (Siebenbürgen) und hatte darüber Beziehungen zum Kulturattachee von Haeften (siehe über diese Zeit das Buch von Andreas Möckel: Umkämpfte Volkskirche. Leben und Wirken des ev.-sächsischen Pfarrers Konrad Möckel (1892-1965), Böhlau-Verlag, Köln u.a. 2011). Hans-Bernd von Haeften wurde nach dem 20. Juli 1944 zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Vater und Sohn Möckel wurden nach dem Krieg in sowjetische Arbeitslager verbannt. Während Andreas nach zweijähriger Zwangsarbeit in einem ukrainischen Bergwerk zurückkam und nach Westdeutschland ging, hatte sein Vater als evangelischer Pfarrer bis in die 60er Jahre schwere Repressalien in Rumänien zu erdulden und konnte erst als alter Mann ausreisen.
Über Barbara von Haeften lernten Konrad Möckel und Sohn Andreas Mitte der 1960er Jahre Freya von Moltke und Eugen Rosenstock-Huessy in Heidelberg kennen. Die Begegnung mit dem Philosophen, Soziologen und Rechtshistoriker Eugen Rosenstock-Huessy führte bei Andreas Möckel zum Beginn eines andauernden intellektuellen Dialogs und einer fortwährenden Faszination.
Er wurde Mitglied der westdeutschen Eugen Rosenstock-Huessy-Gesellschaft und 1986 ihr Vorsitzender. Aufgrund dieser Verbindungen nahm er 1988 an der Tagung zum Gedenken an den 100. Geburtstag von Eugen Rosenstock-Huessy in Vermont/USA teil, die federführend von Konrad von Moltke organisiert wurde. Im Garten des Hauses „Four Wells“, wo Freya von Moltke bis zu seinem Tod 1973 gemeinsam mit Eugen Rostenstock-Huessy und danach alleine lebte, kam es in jenen Tagen zu einer denkwürdigen Beratung. Thema war Kreisau in Polen, Krzyzowa und seine mögliche Zukunft als Haus der Begegnung. Damit zählte Andreas Möckel zum engeren Kreis der Personen aus den Niederlanden, den USA, der DDR, Polen und Westdeutschland, die sehr konkrete Pläne in Bezug auf Kreisau hatten. So nimmt es nicht Wunder, dass er Anfang Juni 1989 nach Breslau reiste, um an der ersten Konferenz der sich bildenden internationalen Bürgerinitiative zur Gründung einer Begegnungsstätte in Krzyzowa/Kreisau teilzunehmen. Er war von den Initiatoren – Klub der Katholischen Intelligenz in Breslau und Aktion Sühnezeichen/Ost - eingeladen worden, einen Vortrag zum Thema „Erwachsenenbildung und „Dienst auf dem Planeten" bei Eugen Rosenstock-Huessy“ zu halten. Seitdem blieb er dem „Neuen Kreisau“ verbunden und brachte sich in den ersten Jahren bis 1996 im Stiftungsrat bei der Arbeit für die Internationale Jugendbegegnungsstätte stark ein, u.a. bei den Workcamps als Teamer gemeinsam mit seiner Frau Annelies und als Co-Autor der ersten umfangreichen Konzeption der pädagogischen Arbeit von 1993.
Als die Stiftung Kreisau im Jahr 2006 eine Maikonferenz zum Thema „Freiwilligendienste“ organisierte, baten wir ihn, erneut über „Kreisau und die Tradition der Freiwilligendienste“ bezogen auf die durch Eugen Rosenstock-Huessy inspirierte „Löwenberger Arbeitsgemeinschaft“ aus den 1920er Jahren in Schlesien zu sprechen.
Für mich ist es ein Stück weit das Vermächtnis von Andreas Möckel, das Satzungsziel der Stiftung „Lebensgemeinschaft Kreisau“ aufrecht zu erhalten, das genau auf diese Löwenberger Erfahrungen des generationsübergreifenden Lernens und Arbeitens für ein lokales Umfeld und ebenso auf den programmatischen Text von Helmuth James von Moltke über die Rolle der „Kleinen Gemeinschaften“ zurück geht. Andreas Möckel hat mir immer wieder nachdrücklich von dieser Vision für Kreisau aus der Anfangszeit berichtet und bedauert, dass es anders gekommen ist. Es war die Vorstellung einer Lebensgemeinschaft bestehend aus den ständigen Bewohner/innen aus dem Dorf, aus internationalen Freiwilligen, die zwischen 6 Monaten und 3 Jahren vor Ort leben, und aus den Gästen, die für Workcamps oder andere Kurzaufenthalte kommen. Als Gemeinschaft sollte an der Renovierung und dem Aufbau des Zentrums gearbeitet werden, perspektivisch auch in der Landwirtschaft zur Bewirtschaftung des Zentrums und als ökologische Initiative in der von Umweltschäden gebeutelten Region. Menschen sollten voneinander und miteinander lernen im Sinne der Friedens- und Demokratiebildung. Dieses Konzept von Möckel und weiteren Eugen Rosenstock-Huessy verpflichteten Freunden, dass die Bildungsarbeit in Kreisau weniger von angestellten Mitarbeiter/innen getragen werden sollte, sondern von Menschen, die einen Teil ihrer Lebenszeit in Kreisau verbringen, um selbst in der internationalen Gemeinschaft zu lernen, hat mich immer sehr angesprochen.
Wir bewahren das Gedenken an Andreas Möckel, verbinden uns mit seiner Familie und danken ihm für sein Zeugnis und Lebenswerk.
*Foto: Michał Czaplinski (links), Wolfgang Ullmann (Mitte), Andreas Möckel (rechts) und Stephan Steinlein (hinten) schauen auf das Schloss in Kreisau, 1989.