Das Schloss in Kreisau liegt in einer vielfältigen Naturlandschaft. Im Umkreis von einem Kilometer finden sich Biotope genauso wie Ackerland, ungemähte Wiese, ein Teich mit eutrophisiertem Wasser, ein Graben mit Schilf, ein junger Laubwald, eine alte Eichenallee, ein Wildobstgarten, zahlreiche Solitärbäume und Feldbepflanzungen, Hausgärten sowie gemähte Rasenflächen. In dieser vielfältigen Landschaft kann sich die Biodiversität von Pflanzen und Tieren gut entwickeln.
1. Die Eichenallee und alte Einzelbäume in der Schlossumgebung
Alte Bäume besitzen einen viel höheren ökologischen Wert als junge Bäume. Sie sind der Lebensraum für viele Pflanzen-, Tier- und Pilzarten. Ihre Größe, Form sowie Narben, Vertiefungen und Hohlräume unter den Wurzeln, die während ihres langen Lebens entstanden sind, sind eine unersetzliche Heimat für viele andere Organismen.
Baumalleen sind ökologische Korridore, d.h. Strecken, auf denen sich Tiere sicher fortbewegen können. Viele Arten (große Käfer, Fledermäuse) sind nicht in der Lage, über größere Entfernungen im offenen Raum zu wandern. Große Bäume, die dicht nebeneinander wachsen, ermöglichen es ihnen, umherzuziehen und neue Gebiete zu besiedeln.
Eichenallee im Juni (von Hanna Sztwiertnia)
Die Zahl der ausgewachsenen Bäume nimmt ab. Vielerorts werden diese Bäume gefällt, um Platz für Straßen zu schaffen. Der Wert des noch vorhandenen alten Baumbestands muss daher betont werden. Die Allee der Stieleichen (Quercus robur) ist einer der wertvollsten Naturschätze in der Umgebung des Schlosses, dies, obwohl die Allee von Menschen angepflanzt wurde und nur aus einer Spezies besteht. Die alten Eichen sind ein potenzieller Lebensraum für seltene Käferarten, wie den Großen Eichenbock (Cerambyx cerdo) und den Eremit (Osmoderma eremita). Leichter als die Käfer findet man in der Eichenalle geschützte Vogelarten, darunter den großen und eindrucksvollen Grünspecht (Picus viridis), der nicht etwa in den Bäumen auf Jagd geht, sondern am Boden Beute macht.
2. Der Teich und der Graben am Schloss - Lebensräume am und im Wasser
Zahlreiche Tierarten, die, und sei es nur phasenweise, in einem Lebensabschnitt Wasser brauchen, darunter Froschlurche (Frösche, Kröten, Rotbauchunken), zahlreiche Vögel, Graureiher, Stockenten, Sumpfrohrsänger, Schilfrohrsänger und viele andere können hier angetroffen werden. Der verwilderte und etwas ungeordnete Charakter dieses Lebensräumes, vor allem an den Ufern des Teiches, fördert ganz natürlich die Artenvielfalt. Die Tiere finden hier Ruhe. Kaum jemals werden sie von Menschen gestört und einige werden sicher auch durch die Nähe des Flusses Piława (Peile) angezogen, der sich durch das Schlossgelände schlängelt.
3. Der wilde Obstgarten am Berghaus
Der Baumbestand hier setzt sich fast ausschließlich aus Kulturpflanzen zusammen, doch sein ökologischer Wert ist hoch. Die Obstbäume, wie Apfelbäume, Kirschen und Birnbäume sind alt, voller Hohlräume und anderen für Tiere wichtigen Mikrohabitaten. Die Blühten im Frühling und Sommer, dann später die Früchte ziehen Vögel und Insekten an. Die saftige, seit langem nicht mehr gemähte Wiese, auf der diese Bäume stehen, ist voller interessanter Pflanzen, die als Unkraut gelten. Ganz sicher gibt es hier auch viele essbare Pflanzen.
Foto: Auf der Suche nach essbaren Wildbeeren im Obstgarten (von Małgorzata Pietkiewicz)
4. Der Friedhofshügel
Der Hügel ist mit einem mittelalten, laubabwerfenden Eichen-Hainbuchenwald bewachsen. Es handelt sich um einen der artenreichsten Baumbestände - Winter- und Sommerlinden, Stieleichen, Hainbuchen, Spitzahorne, Bergahorne oder Rotbuchen kommen hier nebeneinander vor. Der Wald auf dem Hügel ist, ähnlich wie die Wälder in fast ganz Polen, von der Waldbewirtschaftung geprägt.
Foto: Totes Holz mit zahlreichen Moosen und Flechten. (von Zofia Dziuba)
Einige Arten werden geschwächt, andere werden gefördert. Einige fremde Arten wurden hier eingeführt. Dies geschah vielleicht, weil der Ort als Friedhof dient. Zu den fremden Arten gehören Akazie, Robinie, Roteiche und Kastanie. Aufgrund des jungen Alters der Bäume handelt es sich nicht um einen Wald mit hohem ökologischem Wert- es gibt nur wenige hohle Bäume oder absterbende, umgestürzte Stämme, die sich positiv auf die Erhöhung der Biodiversität auswirken. Zudem handelt es sich um einen von der lokalen Bevölkerung stark durchdrungenen Wald. Es gibt markierte "wilde" Fahrradwege und leider auch eine Menge Müll. Am interessantesten in Bezug auf das Alter der Bäume ist der Osthang, das Gebiet des ehemaligen evangelischen Friedhofs, wo sich zwischen den Grabsteinen alte Linden befinden, die mit gemeinem Efeu (Hedera-Helix) bewachsen sind. Wie in jedem Wald finden wir auch hier eine Reihe von Tier- und Krautpflanzenarten, die für Waldgesellschaften typisch sind. Dies kann für die pädagogische Vermittlung des Ortes genutzt werden. Unter den Vögeln sind folgende Arten zu nennen: die Kohlmeise, die Blaumeise, die Sumpfmeise, der Buchfink, der Halsbandschnäpper, der Grauschnäpper, die Schwanzmeise, der Kleiber, der Buntspecht. Unter den krautigen Pflanzen treffen wir auf die sogenannten Geophyten, d.h. Arten, die im zeitigen Frühjahr blühen, wenn der Laubschirm der Bäume noch nicht entwickelt ist und das Sonnenlicht den Waldboden erreicht. Diese sind: Buschwindröschen, Scharbockskraut,Gelbsterne, Schneeglöckchen. Später, während der Vegetationsperiode, wird der Waldboden für blühende Pflanzen ärmer, es gibt viele selbstsäende Bäume, d.h. Schösslinge entstehen aus den Samen der älteren Bäume.
Ein Ort, wo der Toten gedacht wird, läd dazu ein über die Universalität des Todes in der Natur nachzudenken und zu beobachten, wie nützlich der Tod im Lebenskreislauf in der Pflanzenwelt ist. Totholz - vor allem stehende, alte tote Bäume und liegende, verrottende Baumstämme - sind der beste Beweis dafür, dass ein bestimmter Wald natürliche Merkmale aufweist oder biologisch vielfältig ist. Je mehr Totholz, desto mehr Pilze zersetzen es, es gibt mehr Moose, die seine Feuchtigkeit nutzen, Gliederfüßer (z.B. Insekten) und Weichtiere, die sich von ihm ernähren. Insekten, Spinnentiere, Strudel, Schnecken wiederum sind Nahrung für größere Tiere - Amphibien, Säugetiere und Vögel. Das zersetzte Holz düngt die Einstreu und ermöglicht das Wachstum der nächsten Pflanzengeneration. Indem wir Holz aus dem Wald entnehmen, Bäume fällen, bevor sie durch Pilze und Insekten geschwächt werden, durchbrechen wir den natürlichen Kreislauf. Tote Bäume werden in einem lebenden Wald benötigt.
Auch wenn es auf dem Friedhofshügel nicht viel Totholz gibt, können unter dem Laub kleine Stücke von Ästen, Zweigen und alten Baumstämmen gesucht werden. Dort finden sich Stränge von Pilzen, wirbellose Tiere, die sich vor der Trockenheit verstecken, Flechten und Moose.
5. Flussauen
Der Fluss Piława (Peile) spielt eine wichtige Rolle in der Landschaft um Krzyżowa (Kreisau). Der Fluss ist reguliert, teilweise durch Überschwemmungsbänke von seinem Flussbett abgeschnitten, beeinflusst aber immer noch das angrenzende Gebiet. Die an das Flussbett angrenzenden offenen Flächen, die nicht als Ackerflächen genutzt werden, sind Feuchtwiesen. Bei Hochwasser werden sie vom Fluss gedüngt, bei Regenfällen wird hier der höchste Grundwasserspiegel erreicht. Sie sind meist artenreich. Bei den Gräsern dominiert Wiesen-Fuchsschwanz, aber es gibt auch viele bunt blühende Arten wie Kohldisteln, Echtes Mädesüß, Sumpf-Storchschnabel oder Gewöhnlichen Gilbweiderich. An Stellen, an denen der Boden trockener ist, d.h. in größerer Entfernung vom Flussbett, gibt es auf den Wiesen viel Gewöhnlichem Glatthafer, Gewöhnlichem Knäuelgras als Gräser und von den blühenden Pflanzen u.a. - Wiesen-Storchschnabel oder Magerwiesen-Margerite.
6. Eindringende Pflanzen
Der Fluss ist ein Lebensraum für Pflanzen und Wassertiere, aber auch ein Transportweg für Samen oder Pflanzenteile, damit sie sich schnell im Flusstal ausbreiten können. Ein Beispiel für eine solche Nutzung des Flusses ist der Japanische Staudenknöterich (Reynoutria japonica) - eine riesige mehrjährige Pflanze, die an der Brücke vor der Eichenallee und entlang der Deiche wächst. Es handelt sich um eine aus Asien stammende Art - in Europa gilt sie als invasiv.
Foto: Ein Klumpen aus Japanischem Knöterich bei der Schlossbrücke (von Zofia Dziuba)
Sie wurde einst zu dekorativen Zwecken eingeführt und verbreitete sich sehr schnell und bedrohte lokale Ökosysteme - hauptsächlich Flusstäler. Seine erdgebundenen Teile, obwohl dick und sehr beeindruckend, sterben jedes Jahr ab. Den Winter überleben die Wurzelstöcke, die bis zu zwei Meter tief in den Boden reichen können. Die Samen und abgelösten Teile der Wurzelstöcke treiben entlang des Flusses und besiedeln neue Gebiete flussabwärts. In der Nähe der Brücke, die vom Schloss zur Eichenallee führt, findet sich ein großer Knöterichklumpen.
7. Kletterpflanzen am Schloss
Auch wenn die Gebäude normalerweise nicht mit einer üppigen Vegetation in Verbindung gebracht werden, können wir auch hier über die Überlebensstrategien verschiedener Pflanzen nachdenken. An der Treppe des Palastes wachsen drei Arten von Rebsorten, die die Kontinente repräsentieren. Der Gemeine Efeu (Hedera helix) ist der Vertreter der europäischen Flora, die Selbstkletternde Jungfernrebe (Parthenocissus quinquefolia) stammt aus Nordamerika, und die Dreispitzige Jungfernrebe (Parthenocissus tricuspidata) aus Asien.
Foto: Links: Gemeiner Efeu an einem Baumstumpf, rechts: Selbstkletternde Jungfernrebe am Treppengeländer, Dreispitzige Jungfernrebe unter dem Fenster. (von Zofia Dziuba)
Was verbindet sie? Die Reben stammen aus unterschiedlichen systematischen Familien (sie sind also nicht verwandt), und sie erreichen dank der langen und biegsamen Triebe, die an den Stangen emporklettern, eine beachtliche Höhe. Der evolutionäre Nutzen einer solchen Strategie ist, den Energieaufwand zu vermeiden, einen Stamm zu produzieren, um die Blätter so hoch wie möglich ins Licht zu heben. Die Reben verwenden fertige Requisiten - Baumstämme, Felsen, Gebäude. Ihre jungen Triebe haben die Fähigkeit, zum Schatten hin zu wachsen, weil die Möglichkeit, dort die Stützen zu finden, am höchsten ist (dieser Mechanismus ist dem im Blattstiel entgegengesetzt und richtet die Blätter zum Licht hin aus). Wie sich die Pflanze an der Stütze befestigt, ist jeweils unterschiedlich: Der Efeu bildet zufällige Wurzeln aus, die in Risse in der Rinde, im Beton oder im Gestein eindringen und eine Substanz produzieren, das die Pflanze mit ihrer Stütze verbindet. Dagegen bilden die Selbstkletternde und die Dreispitzige Jungfernrebe am Ende des Triebes Verwachsungen, die im Falle des ersteren ebenfalls in Triebe umgewandelt werden. Neben der Befestigung am Boden besitzt sie auch die Fähigkeit zum Wickeln, was am Treppengeländer gut sichtbar ist.
Die Pflanzen wachsen in die Höhe, weil sie Zugang zu Licht brauchen. Am Beispiel von Efeu, der neben der Treppe wächst, lässt sich beobachten, dass die Höhe noch einen weiteren Zweck erfüllt, der mit der Ausbreitung zusammenhängt. Wir können sehen, dass der Efeu, wenn er die richtige Höhe erreicht hat, steife Stängel bildet, die aus dem Stamm herausragen und eine andere Blattform haben. Dies sind die Blütentriebe. Die Blüten des Efeus sind unscheinbar, aber duftend. Ihr Duft ist nur in größerer Höhe dazu in der Lage, die richtige Anzahl von Bestäubern anzuziehen. Die daraus resultierenden Früchte hingegen sind für die Vögel, die sich von ihnen ernähren und sie gleichzeitig verbreiten, leicht zu sehen. Efeu ist eine Spezies, an der wir den Klimawandel beobachten können. Noch im letzten Jahrhundert waren die fruchttragenden Exemplare nur in milden ozeanischen Klimazonen verbreitet - z.B. in Großbritannien. In Polen standen die blühenden Exemplare unter Schutz. Gegenwärtig blüht Efeu wegen der milden Winter an den an den meisten Standorten.
Małgorzata Pietkiewicz, Małgorzata Rudy, Hanna Sztwiertnia
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